Aufbruchstimmung
© Kahtbild.at/RupprechtPfarrer Thomas Kaupeny spricht in seiner Predigt bei der Sendungsmesse am 13. März 2010 über Aufbruch. "Aufbruch aller Aufbrüche. Ganz egal welche Aufbrüche, oder Zusammenbrüche oder neu Aufbrüche dich jetzt besonders beschäftigen, Gott weiß...".


Liebe Schwester und Brüder,

Aufbruchsstimmung, Aufbrechen, das ist manchmal etwas wunderbar Frohgemutes, in Gottes Namen, gehen wir es an. Aufbrechen, das ist meistens was täglich mühsames, die vielen, vielen kleinen Aufbrüche jeden Tag und doch auch Mühseliges. Aufbrechen das ist manchmal Gehör schenken der inneren Stimme, des Gewissens und nur ihr folgend einen einsamen Aufbruch wagen.
Aufbrechen in einer Gemeinschaft kann manchmal auch etwas mühsames sein, weil immer irgendwer etwas vergessen hat und irgendwem noch etwas einfällt. Und die einen werden schon ungeduldig, während die anderen schon wieder zurückrennen. Vom Aufbrechen sprechen wir auch, wenn alte Wunden wieder aufbrechen und vom Aufbrechen sprechen wir, wenn ein Herz wieder öffnet. Ein geängstigtes, verstörtes, verbittertes, verschlossenes, raues Herz sich wieder öffnet.
Der Aufbruch aller Aufbrüche. Ganz egal welche Aufbrüche, oder Zusammenbrüche oder neu Aufbrüche dich jetzt besonders beschäftigen, Gott weiß, allen gemeinsam ist uns, wir sind jetzt aufgebrochen hierher in den Stephansdom, um miteinander zu beten, zu horchen und Kraft zu schöpfen aus den Quellen des Glaubens und damit befinden wir uns am Anfang des heutigen Evangeliums. Zwei Männer stiegen hinauf in das Heiligtum, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Ganz verschiedene Menschentypen, die uns da vor Augen gestellt werden.
Wahrscheinlich ist es auch den meisten von uns so gegangen, als sie heute aufgebrochen sind zum Dom. Da hat man das eine oder andere Gesicht entdeckt und hat gesagt: Schau, so schön, die ist auch da. Und wahrscheinlich hat man auch das eine oder andere Gesicht entdeckt, wo man sich gedacht hat: Um Gottes Willen, der ist auch da. Um Gottes Willen ist er da, es stimmt, so wie du. Und um deinetwillen, sagt uns das Evangelium, ist er vielleicht auch da.
Ich hatte im Kinderheim am Himmel einen Ministranten, eifriger und aufmerksamer, wie man sich einen Ministranten nicht vorstellen kann, den Helmut. Und der Helmut hatte ein Lieblingslied, viele von euch kennen es: Alle Kinder dieser Welt sind dein, segne sie alle Herr, und im Refrain heißt es dann: breite deine Hände aus, nimm sie all in deine Hut, breite deine Hände aus, dann wird alles gut. Die Zeile mit nimm sie all in deine Hut hat der Helmut nicht so ganz verstanden, deshalb hat er sie ein wenig umgedichtet und ich höre ihn noch wenn er neben mir steht und singt: Alle Kinder dieser Welt sind dein, breite deine Hände aus, bring sie unter einen Hut, hat er immer gesagt und bis zum heutigen Tag hat er mir mit dieser Zeile ein besonders Geschenk gemacht und dann war die Osternachtfeier und wir haben gesungen: Bring sie alle unter einen Hut und es war irgendwie eine eigenartige Atmosphäre in der Kapelle und ich habe beschlossen die Fragen zur Tauferneuerung ein wenig freier zu formulieren und habe gefragt: Glaubt ihr an Gott, den Schöpfer, den Allmächtigen des Himmels und der Erde , der sichtbaren und der unsichtbaren Welt, der alles geschaffen hat und in Händen hält, auch dich und mich?
Vermutlich war es die ungewohnte Formulierung. Auf einmal trat eine merkwürdige Stille ein. Keiner hat gewusst was kann, was soll, was darf ich sagen. Die meisten haben verlegen zu Boden geblickt. Der Helmut ist aber aufgesprungen, ist in die Mitte der Kirche gelaufen hat mit den Ellenbogen und Händen zu rudern angefangen-ein Zeichen höchster Aufregung bei ihm-und hat gesagt: „Na, glaubst das oder nicht?“ Und da geschah etwas, was ich vorher und nachher noch nie erlebt habe. Auf einmal hört man aus der Kapelle ein zaghaftes Ja, auf der anderen Seite ein mutiges Ich glaube schon. Und so ging es weiter, manchmal ein raues Ja, manchmal nur ein Zirpen, aber die Menschen haben sich angeschaut und haben sich gegenseitig entdeckt. Viel wurde aus diesem Aufbruch damals. Jesus stellt uns den Pharisäer und den Zöllner vor Augen. Den Pharisäer darf man kein Unrecht tun, das ist eigentlich ein sehr korrekter Mensch. Er ist prinzipientreu, zuverlässig. Er glaubt an die Bekehrung seines Volkes auf diesem Weg auch an die Bekehrung der Welt und er lässt sich diesen Glauben auch etwas kosten: Zwei mal in der Woche fastet er, das muss man einmal tun. In einer Arte der Selbstbesteuerung gibt er ein Zehntel seines Einkommens und was ihn auch noch sympathisch macht: er beginnt sein Gebet ganz leise. Er beginnt es mit den Worten: Gott, ich danke dir, aber was uns zurückzucken lässt ist, an alle sich seiner Vorstellung vom gläubigen Leben nicht entsprechen können, aus welchen Gründen auch immer, an denen will er nicht einmal anstreifen, da grenzt er sich ganz scharf ab. Mit denen will er nichts zutun haben, die achtet er kaum. Die verachtet er.
Und so ist er wie eine Kerze, die entzündet wurde um damit vielleicht auch dunkle Gesichter rundherum erhellen. Aber auf die Kerze werden grelle Scheinwerfer gerichtet und im scharfen Scheinwerferlicht ist die Flamme nicht mehr zu erkennen. Und zugleich grenzt dieses harte Licht die im Dunkeln noch schärfer ab und zurück. Die Hitze der Scheinwerfer lässt die Substanz schmelzen, von der Kerze bleibt nichts über.
Anders der Zöllner. Den jener Pharisäer so verachtet. Eine gute Frage übrigens an dich und mich: Wen verachtest du? Sicher aus guten Grund, aber wen verachtest du? Jesus sagt uns: Du hast sicher deine Gründe, aber genau von diesem Menschen kannst du was lernen.
Ich hatte einmal nach einer Taufe die Gelegenheit mit dem Opa dieses Täuflings zu sprechen, es war ein Mädchen, und im Gespräch sagt er mir, er war Zöllner. Er hat viele Jahre direkt an der Grenze gestanden. Und wir sprechen so über das Evangelium und auch über seine Erfahrung als Zöllner. Und er erzählt zuerst von ein paar Schmankerln, von der Python und dem Diamantarmband. Und dann sagt er aber: Was erzähl ich dir das, probieren tun es alle! Fast alle! Und mit der Zeit kriegst du eine gewisse Menschenkenntnis und einen Blick, wenn du durchwinkst. Aber probieren tun es fast alle. Aber einfach ist das nicht. Wenn man den ganzen Tag angelogen wird mit dem freundliche Gesicht. Da kann man, hie und da, in Rage kommen und wenn ich an die Grenze komme, das wünsche ich niemandem. Und dann blickt er zu seiner Enkelin und sagte: Ich sag dir eins, Pfarrer, ich wünsche ihr wirklich, dass sie einen guten Weg findet. Das ist nicht leicht. Ich hab heute sogar dafür gebetet.
Das ist es was uns Jesus ans Herz legt: Der Zöllner hat kein aufgeblasenes Imponiergehabe, wie lächerlich das auch wäre, sondern erzählt von seinen Grenzerfahrungen und ich darf euch das ans Herz legen: Dort wo wir an unsere Grenzen kommen unser Geduldsfaden reißt, das sollte wir ins Gebet legen. Und mehr noch als das: wenn wir an unsere Grenzen kommen und wiederum viel zu schnell und hart mit anderen Menschen waren, das darf man hingeben. Gott sei mir Sünder gnädig. Und man kann, darf, soll sagen: Gott von dir erwarte ich alles.
Am Donnerstag vergangener Woche habe ich eine junge Frau aus meiner Gemeinde gesucht, sie ist momentan im Gefängnis. Sie hat von klein auf, alles drauf gehabt, was man sich nur vorstellen kann. Und ist dem entsprechen zusammengebrochen und noch viel öfters aufgebrochen. So auch jetzt um diese alte Geschichte wieder in Ordnung zu bringen. Und beim Abschied sag ich zu ihr: Wenn dir recht fad ist hier, dann schickst mir hie und da ein Gebet und sie lacht mich an: Na, was glaubst, dass ich den ganzen Tag tu? Sie betet. Würde sonst auch kaum jemand glauben und dann hat sie sich noch einmal umgedreht, als der Beamte sie schon abgeführt hat und hat, ganz ungeniert gesagt: Ehrlich, ich sag‘s dir, die Kirche geht mir so ab, die Kirche geht mir so ab. Und ich glaub da gibt es viele.

(red)


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