Lesung: Röm 7,18-25a, Evangelium: Lk 12,54-59
Gelobt sei Jesus Christus!
Liebe Delegierte, liebe Schwestern und Brüder, liebe Gäste!
Fangen wir gleich mit dem Unangenehmen an - es ist die Lesung und das
Evangelium des heutigen Freitags. Jesus bezeichnet die Leute, die Menge, als
“Heuchler“. Wen meint er damit? Die anderen oder uns? Die „Leute“ oder
auch uns? Er nennt sie Heuchler! Vielleicht nennt er uns Heuchler? Uns
bezeichnet man gerne – ich spreche jetzt von den Kerngemeinden - uns
bezeichnet man gerne als Heuchler: „Kerzerlschlucker“, Wasser predigen und
Wein saufen! Bigottisch, kurz um: katholisch.
Ja, wir gelten vielen als Heuchler. Weil wir in die Kirche gehen und auch
nicht besser sind als die anderen! Bezeichnet Jesus uns als Heuchler?
Kriegen wir es jetzt auch noch von Jesus ab, nachdem wir es schon in der
Gesellschaft dauernd abbekommen? Könnte nicht der Herr mit uns ein bisschen
barmherziger sein? Worum geht es? Genau um das, was wir in diesen Tagen
versuchen, in unserer Delegiertenversammlung: die Zeichen der Zeit zu
erkennen.
Ich muss leider Euch, Sie alle enttäuschen: Im Griechischen steht
überhaupt nicht „die Zeichen der Zeit“, sondern einfach „ Kairos“, „diese
Zeit“. „Erkennt den Kairos“, diesen Moment, das Heute! Den Kairos erfassen,
darum geht es. Darum bemühen wir uns in diesen Tagen.
Die Wettervorhersagen waren offensichtlich damals genauer als heute, wo
man keine Satelliten hatte, Denn Jesus sagte: „Ihr sagt, Nordwind: es
regnet; ihr sagt Südwind: es wird heiß.“ Heinz Weinrad, der Wetterfrosch in
unserer Versammlung, er ist immerhin bei der Flugwetterbehörde tätig, hat
gesagt, es werde heute regnen - es scheint die Sonne: deo gratias!
Was tun, um diese Zeit besser zu erfassen, und vor allem sie zu deuten?
Die Worte der Heiligen Schrift geben uns heute zwei wichtige Hinweise, wie
wir besser lernen, zu erfassen, was die Zeit bedeutet. Paulus sagt uns in
diesem dramatischen siebten Kapitel des Römerbriefes: „Erfasse zuerst dich
selber, deinen Zustand.“ Und Jesus sagt uns: „Ergreife zuerst die Chance der
Versöhnung, den rechten Moment, vielleicht den letzten Moment zur
Versöhnung.
Erfasse zuerst einmal deinen eigenen Zustand!
- Ich will das Gute: ich
nehme es mir vor. Und ich nehme an, dass ihr mir abnehmt, dass ich das
Gute will. Wir bemühen uns darum, es auch von den anderen anzunehmen. Auch
du willst das Gute.
- Ich tue das Böse, das
ich nicht will. ICH! Paulus spricht von sich, ich tue das Böse. Er spricht
nicht von den anderen, sondern von sich selber. Wie schaut es bei mir aus?
Ich nehme mir vor, ein gutes Wort zu sagen, aber über meine Lippen kommt ein
bitteres Wort. Ich bin unglücklich – und jemand anderer wird unglücklich.
Ich nehme mir vor, ich will mir Zeit für jemand anderen, den Partner,
Mitarbeiter/in, Kinder nehmen - und ich vertue die Zeit mit Fernsehen
oder dem Computer oder vielleicht mit Facebook - pardon, wenn ich das
erwähne.
Diese Litanei kann jede und jeder von uns ergänzen und verlängern, wenn
wir ehrlich sind. Ich unglücklicher Mensch – wer wird mich aus dieser
Zerrissenheit retten? Das sagt Paulus.
Erste Bedingung, um frei zu werden, um die Zeichen der Zeit zu erfassen,
ist Selbsterkenntnis! Wie sehr ich selber der Hilfe und des Erbarmens
bedürftig bin, wie viel mich gefangen hält, wie sehr „das Gesetz der Sünde
in meinen Glieder herrscht“, obwohl ich mich, „dem inneren Menschen
nach“, sagt Paulus, nach etwas ganz anderem sehne.
Paulus, der große, heilige Apostel, spricht so ehrlich über sich selber.
Also Brüder und Schwestern: keine Schande, dass wir ehrlich, über uns selber
sprechen, ehrlich mit uns selber sind.
Und die zweite Bedingung, die Jesus uns nennt: Erfasse den Kairos, den
Moment, wenn Du auf dem Weg bist - und wir sind alle auf dem Weg. Solange
wir leben, sind wir auf dem Weg und noch nicht beim „Kadi“, beim Richter.
Nütze die Zeit! „Die Sonne soll über deinem Zorn nicht untergehen“, sagt der
Apostel. Den Kairos der Versöhnung erfassen.
Beides lässt uns vielleicht etwas mutlos zurück. Wie wenig habe ich mich
selber erkannt, wie oft habe ich den Moment der Versöhnung versäumt. Und
dennoch, sagt Paulus „Dank sei Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!“
Ja, Herr, auch wenn du mich Heuchler nennst, nichts war und ist Dir mehr
zuwider als die Heuchelei. Es gibt nichts im Evangelium. worüber Jesus
so zornig ist, wie über die Heuchelei.
Wenn wir wirklich ehrlich sind, werden wir nicht zögern, uns auf dem Weg
zu versöhnen und auf die anderen nicht hinunterschauen. Dann werden wir die
anderen höher achten als uns selber, wie Paulus es uns rät -- und dann kann
Mission gelingen. Niemals von oben herab, immer Face to Face, im ehrlichen
Gegenüber. In großer Achtung vor dem Anderen, im Wissen, wie sehr ich selber
ein von Jesus geheilter, geliebter, geretteter, armer Sünder bin.
Brüder und Schwestern, heute sind wir eingeladen, zu einem „Abend der
Barmherzigkeit“, alle Delegierten, aber auch alle die kommen können. Wir
lassen uns das schenken, was die Voraussetzung ist, dass wir Mission leben
können: dass wir selber die Barmherzigkeit Jesu erfahren haben um sie
weitergeben zu können. Amen.
(red)
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