Predigt zum Gründonnerstag 9. April 2009
© Rupprecht@kathbild.atWortlaut der Predigt vom Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, am Gründonnerstag, 9. April 2009, im Dom zu St. Stephan.

Liebe Brüder und Schwestern, liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Damen und Ritter des Ordens vom Hl. Grab in Jerusalem, liebe Hörerinnen und Hörer von Radio Stephansdom!

"Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit". Das werden wir heute wieder, wie in jeder Hl. Messe, nach den Worten der Wandlung sprechen. Aber was sagt das, dass wir den Tod des Herrn verkünden? Was geschieht in dieser Verkündigung? Was tun wir da? Was meint der Apostel Paulus - wir haben es eben gehört in den Worten aus dem 1. Korintherbrief - wenn er sagt: "Jedesmal, wenn ihr dieses Brot esst und diesen Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt"?

Ich habe unsere ganze Erzdiözese eingeladen zu einem großen Weg der Mission, der Evangelisation in den kommenden Monaten und Jahren. Es ist die zentrale Aufgabe der Christen, den Glauben zu verkünden, ihn weiterzugeben. Heute möchte ich die Frage stellen, was das mit der Eucharistie zu tun hat, wenn der Herr, wenn Paulus, wenn die Kirche uns sagt, wir verkünden den Tod des Herrn jedes Mal, wenn wir Eucharistie feiern. Was ist diese Verkündigung? Das Konzil sagt in einem eindrucksvollen Text, speziell im Text über die Ausbildung der Priester, dass die Eucharistie der Höhepunkt der Evangelisation sei. Wie ist sie das? Was hat die Eucharistie mit Verkündigung, mit Evangelisation zu tun? Nun, ganz einfach: Alles hat im Abendmahlsaal begonnen. An diesem Abend, den wir heute feiern, hat Jesus zu den Aposteln gesagt: "Tut dies zu meinem Gedächtnis!" Und seither tun sie es, tun wir es, ununterbrochen, seit 2.000 Jahren. Schauen wir uns an, was zuerst der Kontext des Evangeliums sagt, dann der Apostel Paulus, und was das für uns heute bedeutet:

Jesus hat den Aposteln die Füße gewaschen. Der Evangelist Johannes berichtet nicht die Einsetzung der Eucharistie, des Abendmahls. Er sagt nur, bevor dieses Mahl beginnt, wäscht Jesus den Aposteln die Füße. Gott tut Knechtsdienst am Menschen, denn: Füßewaschen, das ist damals Knechtsdienst gewesen, und es ist auch heute nicht gerade die vornehmste Aufgabe. "Ich, euer Herr und Meister, habe euch die Füße gewaschen. Ihr nennt mich Herr und Meister zu Recht, und ich bin es." Er, der Gott ist, Mensch geworden, er beugt sich so tief herunter, dass er uns die Füße waschen kann. "Ein Beispiel habe ich euch gegeben." Was er da getan hat, war symbolisch, aber gleichzeitig hat er es ganz konkret gezeigt, in dem, was er getan hat, in diesem Knechtsdienst. Er hat uns gezeigt, dass er uns bis zuletzt geliebt hat, so sagt es der Evangelist Johannes, "da er die Seinen bis zum Schluss, bis zum Äußersten geliebt hat".

Die Liebe ist die Substanz der Eucharistie. Was wird anderes gegenwärtig in der Eucharistie als die Hingabe Jesu bis zu seinem Tod, bis zum Tod für uns? Die Eucharistie ist die Gegenwart seiner Hingabe, die Gegenwart seiner Liebe. Manchmal erleben wir es, spüren wir es, ahnen wir es in der Eucharistie, in der Messe, dass das das Wesentliche, das Entscheidende ist. So habe ich es einmal in meinem Leben, unvergesslich für immer, bei Padre Pio, dem heiligen Padre Pio im Jahr 1961 erlebt. Diese Messe bleibt mir unvergessen, weil ich nie mehr so gespürt habe wie in diesem Moment, in dieser Zeit - ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, er hat sehr lange zelebriert, die Messe gefeiert - völlig versunken in das Geschehen, da hat man gespürt: Das, was er da feiert, ist Wirklichkeit, nicht mehr nur eine Geste, ein Symbol, es ist die Wirklichkeit der Hingabe Jesu, gegenwärtig jetzt, in jeder Messe. Sein Tod für uns wird jetzt gegenwärtig, seine Liebe wird gegenwärtig. Und daraus lebt die Kirche! Sie lebt weder aus der Fortschrittlichkeit, noch aus dem Konservativismus. Sie lebt aus der Eucharistie, aus der Gegenwart Jesu, aus dieser Quelle, aus der die Kirche ständig neu geboren wird. Deshalb muss ich ein Wort zu den Formen sagen, weil zur Zeit in der Kirche wieder viel diskutiert wird: Soll die Messe traditioneller sein, soll sie moderner sein? Manche sagen, sie ist zu modern, manche sagen, sie ist wieder zu traditionell. Manche meinen, dass es darauf ankommt, dass die Zeremonien besonders schön sind - das stimmt, das ist alles wichtig: Würdig, schön soll es sein, weil das, was geschieht, so heilig ist. Aber es ist das alles sekundär. Für mich ist das so ein unvergessliches Bild, das sich ineinandergeschoben hat: Eine Messe zu Weihnachten 1977 in einer armseligen Hütte in Manila auf den Philippinen unter den Slumbewohnern. Wie die Eucharistie, die Hostie gehoben wurde, habe ich plötzlich innerlich den Petersdom gesehen, den prachtvollen Petersdom in Rom, und ich habe gespürt, es ist ganz egal, ob das in dieser Hütte, in dieser armseligen Kapelle in einem Slum von Manila ist oder im prachtvollen Petersdom: Vor dieser kleinen Hostie verschwindet alles andere, wird sekundär, auch die Frage, ob es Latein oder Deutsch ist, ob es im alten oder im neuen Ritus ist - alles wichtig, aber zweitrangig. Das Entscheidende ist: es ist der Herr selber! Er ist da! Das ist das Entscheidende!

Meine Lieben, und das meint wohl Paulus, wenn er sagt, dass wir Seinen Tod verkünden, jedes Mal, wenn wir Eucharistie feiern. Weil Er selber gegenwärtig ist in unserer Mitte! Die Korinther waren zerstritten: Parteiungen, Reiche und Arme, die Armen haben gehungert, die Reichen waren schon betrunken, sagt Paulus ganz direkt. Die Kirche wäre längst untergegangen, wenn sie nur ein menschlicher Verein wäre. Korinth hätte nicht lange überlebt mit diesen Spaltungen. Aber weil es der Herr ist, gegenwärtig ist, lebt sie! Deshalb ist die Frage nach dem berühmten "Reformstau", von dem so viel geredet wird, und von dem die Medien uns die Ohren volljammern ("Reformstau in der Kirche"!) - das Entscheidende ist doch diese Quelle: Der Herr selber ist gegenwärtig! Aus dieser Hingabe für uns, für alle Menschen, lebt die Kirche, leben wir! Sie wäre längst zugrunde gegangen ohne diese Hingabe, ohne diesen Höhepunkt, ohne diese Quelle, die Eucharistie.

So komme ich zum Schluss, zur Frage, was ist das jetzt: "Höhepunkt jeder Evangelisation ist die Eucharistie"? Weil es der Herr ist, jetzt unter uns gegenwärtig, nicht statisch, sondern mit der ganzen Liebe, mit der ganzen Hingabe seines Lebens ist er gegenwärtig. Wenn wir das erspüren, wenn wir das im Glauben bejahen und erfassen, dann können wir nicht anders als es weitersagen, es verkünden. Deshalb ist die Eucharistie Quelle und Höhepunkt der Evangelisierung.

Nun zum Schluss die Folge daraus: Was heißt das auch für unsere Diözese in dieser Zeit der Neu-Evangelisation, von der Papst Johannes Paul II. oft und oft gesprochen hat? Zuerst und vor allem: dass wir uns um den Herrn sammeln, dass wir uns in der Eucharistie zusammenfinden. "Vernachlässigt die Versammlungen nicht", sagt schon der Hebräerbrief. Ich sage es ganz einfach: Wir müssen wieder in die Kirche gehen, zur Messe gehen. Wir müssen uns wieder um den Herrn versammeln, da werden wir die Kraft bekommen. Da werden wir erfahren und daraus auch die Kraft finden, unseren Glauben zu bezeugen und weiterzugeben. So lade ich ein, dass wir heute den Herrn bitten, dass er uns diese Mitte, Ihn, die Quelle und den Höhepunkt unseres Lebens erfahren lässt, spüren lässt, damit wir es besser leben und auch verkünden können, Amen.

+ Christoph Kardinal Schönborn
Erzbischof von Wien

(red)


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