Predigt von Kardinal Schönborn am Pfingstmontag zur Eröffnung der Missionswoche
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Liebe Brüder und Schwester hier im Dom und alle, die über Radio Stephansdom oder über Radio Maria mit uns verbunden sind, liebe Gäste, die Sie vielleicht zufällig jetzt in den Dom gekommen sind!


Heute beginnt die große Missionswoche in unserer Diözese. Ein Moment, auf den wir ein Jahr lang zugelebt haben und jetzt ist er da und wir fragen uns: Wie wird denn das? Was wird diese Woche? Viele, viele einzelne Initiativen in fast allen Pfarren, in vielen Gemeinschaften, über die ganze Diözese. Ich weiß gar nicht, was alles geplant ist, was alles geschieht. Aber entscheidend ist - das ist ja das Motto unseres ganzen diözesanen Vorgangs der Evangelisierung und der Mission: „Wir können nicht schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“.

Aber was haben wir gesehen und was haben wir gehört? Worüber können wir nicht schweigen? Jetzt fange ich gleich mit einer Beichte an: Immer wenn ich so in einer Situation bin, wo es darum geht, jetzt sag ein Wort über Jesus, dann bin ich etwas ängstlich. Dann denk ich mir, nein ich will doch den Menschen nicht lästig fallen mit einer Aufdringlichkeit. Und das besonders in unserem Land, wo so vieles von der Kirche, vom Glauben, von der Geschichte des Glaubens spricht. Speziell hier im Dom hat man fast die Versuchung, zu sagen, ist ja eh alles klar! Dieser Dom zeugt vom Glauben: Die vielen Zeugen des Glaubens, die auf den Säulen uns begrüßen; die Heiligen; Christus am Kreuz, in der Eucharistie; auf dem Hochaltarbild sieht Stephanus ihn in der Herrlichkeit des Vaters. Müssen wir da extra noch darüber reden? Es ist doch eigentlich alles klar. Ist es alles klar? Irgendwie habe ich den Eindruck, etwas fehlt in unseren Land, etwas ganz Spezifisches des Evangeliums.

Ich denke, fast alle Menschen in unserem Land glauben, dass es etwas „Höheres“ gibt; eine höhere Macht, die uns lenkt und leitet. Beim „Herrn Karl“ hat es geheißen: Ja, irgendwas muss es schon geben. An Gott glauben, ja das ist für die meisten Menschen in unserem Land schon irgendwie selbstverständlich. Und es gibt so viele Zeugnisse davon und darüber darf man auch reden. Aber eigenartiger Weise haben wir eine große Scheu, das zu tun, was der Hohe Rat in Jerusalem in der heutigen Lesung, die wir eben gehört haben, ausdrücklich verbietet (es ist manchmal fast, als hätte dieses Verbot auch bei uns noch nachgewirkt): Sie verboten den Aposteln, jemals noch im Namen Jesu zu predigen und zu lehren.

Im Namen Jesu! Was ist das? Warum scheuen wir uns so, den Namen Jesu zu nennen? Warum scheuen wir uns , im Namen Jesu Christi des Nazoräers, der gekreuzigt wurde, den Gott von den Toten auferweckt hat, Zeugnis abzulegen. Durch diesen Namen steht der Gelähmte aufrecht. Und wieviel könnten wir ähnliches berichten! In diesem Namen hat der und der, haben so viele im Leben ihren Sinn gefunden, haben neue Kraft gefunden, haben den Sinn ihres Lebens gefunden! In Jesus, in seinem Namen! Kein anderer Namen ist uns unter den Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen. Trauen wir uns, das zu sagen? Oder wirkt das Verbot des damaligen Hohen Rates immer noch bei uns nach: Ja, über Gott dürft ihr reden, aber über Jesus? Und ich frage mich, was ist das? Warum sind wir so scheu, wirklich im Namen Jesu zu reden, Jesus zu verkünden?

Ich glaube, es hat einen sehr einfachen Grund: Jesus, das ist jemand ganz konkreter, Jesus der Nazoräer, Jesus von Nazaret. Er hat ein Gesicht, einen Namen, er hat gesprochen, er hat gelebt und er hat zur Freundschaft mit ihm eingeladen. Das ist nicht anonym, das ist etwas sehr Persönliches, Freundschaft mit Jesus. Freundschaft mit Jesus, das ist es, wozu er uns einlädt, wozu wir eingeladen sind, andere einzuladen:  Zur Freundschaft mit Jesus! Also, ihn kennen lernen, mit ihm vertraut sein, mit ihm den Weg gehen. Aber Jesus ist ja unsichtbar, damals, da haben sie ihn gesehen, damals konnten sie ihn hören, mit ihm zusammen sein. Wie ist das heute? Jesus hat uns ein ganz einfaches Mittel hinterlassen, wie wir ihm begegnen können. Man sagt, die Freunde meines Freundes sind meine Freunde. Wenn ich ein Freund Jesu bin, dann sind die Freunde Jesu meine Freunde. Und über die Freunde Jesu kann ich auch Jesus kennen lernen. Wer sind die besonderen Freunde Jesu? Das sind die Kleinen, die Kinder, das sind die Armen und das sind die Sünder. Jesus hat das x mal erklärt, gezeigt in seinem Leben, das sind seine besonderen Freunde! Und wenn wir ihn finden wollen, wenn wir Freundschaft mit ihm haben wollen, dann müssen wir mit seinen Freunden Freundschaft halten. Und das ist gar nicht so einfach. Da müssen wir umdenken. Da müssen wir unsere Wertvorstellungen ändern.

Spontan zieht es uns nicht zu den Armen hin. Kinder sind nett, aber sie sind auch lästig, schlimm, mühsam. Die Liebe zu den Sündern, nicht zur Sünde, sondern zu den Menschen, die sich im Leben schwer tun mit ihren Problemen, gelingt uns das? Da können wir Jesus begegnen. Da können wir Freundschaft mit ihm üben. Einladen zur Freundschaft mit Jesus, das heißt zuerst: sie selber leben! Jetzt kann man sagen, das ist vielleicht etwas kompliziert, das ist vielleicht gar nicht so einfach. Das stimmt. Und doch ist es ganz einfach, denn die die das am Anfang gemacht haben, die Apostel, das waren einfache Leute. Hier im Hohen Rat, wo die Hochstudierten saßen, da war man ganz verwundert, als der Freimut des Petrus und des Johannes sichtbar wurde. Als man merkte, dass es ungelehrte und einfache Leute waren, wunderten sie sich. Wissen Sie, was im griechischen Text steht? Idiotai, Idioten (im Griechischen ist das natürlich etwas höflicher), ungebildete Leute, einfache Leute. Wir müssen also einfach werden, einfach in der Begegnung mit Jesus, einfach in der Begegnung mit seinen Freunden. Ich glaube, Österreich braucht das. Die Freundschaft mit Jesus, das ist das, von dem wir hoffen, dass es in dieser Woche ein wenig mehr wächst. In uns selber und in den vielen, denen wir begegnen in dieser Missionswoche.

(red)


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