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Gesprächsgruppe 5.6.: Christ sein – ohne Pfarre?
Unsere Gruppe startete mit nur 4 TeilnehmerInnen (TN), allmählich steigerten wir uns auf 12 TN. (davon 4 Priester und 1 Pastoralassistent)
Einstieg war eine Vorstellrunde mit der Zusatzfrage: „Wie habe ich kirchliche Gemeinschaft erlebt“. Interessant war, dass alle TN im Grunde pfarrliche Erfahrungen nannten (meist eine bestimmte Gruppe wie Jungschar und Jugend oder die Liturgie) und auch derzeit ihren Kirchenbezug vor allem pfarrlich leben (3 TN aus einer fremdsprachigen Gemeinde zwar nicht im kirchenrechtlichen Sinn, aber als Quasipfarre). Sehr schnell kamen dabei auch Themen zur Sprache, die das Christ sein am Ort erschweren und hindern, den Glauben mit Freude zu leben und zu bezeugen. Diese Themen seien stichwortartig angeführt:
- ein Wiederaufleben des Klerikalismus, wo es dem Pfarrer scheinbar nur um seine eigene Heiligkeit geht (wird besonders bei Pfarrerwechsel schmerzhaft erlebt) - eine „enge Sicht“ der Pfarrleitung, die kirchliches Leben eher zerstört als aufbaut - der „Schritt zurück“ führt derzeit leider nicht zu Jesus und der biblischen Botschaft, sondern ins 19. Jahrhundert - es steht und fällt alles mit dem Pfarrer, negativ besonders dann, wenn er sich zu wichtig nimmt o (Ein Pfarrer der alles selber macht ist der Tod einer lebendigen Pfarre. Manche/viele Gläubige leben ihr Christ-sein sehr Pfarrer-zentriert und nicht so sehr auf Christus bezogen. ) - auch von der Kirchenleitung (Papst, Bischöfe…) wird wenig Ermutigung erfahren, sondern eher Probleme geschaffen, die gar keine sind - die Menschen werden nicht da abgeholt, wo sie stehen, deshalb entfremden sie sich immer mehr von Glaube und Kirche
Zum eigentlichen Thema unserer Gruppe „Christ sein – ohne Pfarre?“ seien folgende Schwerpunkte der Diskussion festgehalten:
Man muss nüchtern feststellen, dass der Großteil der Katholiken ohne Pfarre lebt Die große Mehrheit gehört zwar rechtlich zu einer Pfarre, bekommt vielleicht das Pfarrblatt oder nützt gelegentlich ein Service der Pfarre, aber sie hat eigentlich keinen Bezug zum Leben und Tun der Pfarre. Eine kleine Zahl sehr engagierter Christen lebt ihren Glauben auch außerhalb der Pfarre in Orden oder den neuen geistlichen Gemeinschaften.
Es ist zu respektieren, dass die Menschen heute ihre „christliche Identität“ in ganz unterschiedlicher Nähe oder Distanz zur Kirche definieren und leben
Die „christliche Karriere“ vieler Menschen wurden zum größten Teil in Pfarren zerstört Die Menschen in unserem Land sind fast durchgehend „pfarrsozialisiert“. Negative Erfahrungen, Gleichgültigkeit, Verletzungen uäm., das Menschen der Kirche (und dem Glauben) entfremdet hat, sind vor allem in den Pfarren geschehen, bzw. eine positive Erfahrung ist eben nicht geschehen.
Dass Pfarre „lebendige Gemeinschaft“ (eine Gemeinschaft von Gemeinschaften) sein soll, ist eine relativ junge Forderung und zumeist eine Überforderung Historisch gesehen war die Pfarre eben die „grundlegende Versorgungsstruktur“ kirchlichen Lebens und viele verstehen sie ja noch heute so. Den Aktiven in unseren Pfarren wird heute aber ständig vorgehalten, dass sie „lebendige Gemeinde“ sein sollen, was eine ebenso ständige Überforderung mit sich bringt. Äußerlich durch den zu leistenden Aktivismus, innerlich durch das erdrückende Ideal.
Pfarre hat Chancen, wenn sie offen ist für die Menschen und ihr konkretes Leben Die Pfarre als eine „Sozialform“ der Kirche ist nicht Selbstzweck, sondern hat einen Auftrag zu erfüllen: die frohe Botschaft von Jesus Christus heute wach zu halten und lebendig werden zu lassen im ganz konkreten Leben der Menschen.
Zum Christ-Sein braucht es Gemeinschaft, aber nicht unbedingt die Pfarre. Christ-Sein kann man auf Dauer wohl nur in einer Gemeinschaft von Christinnen und Christen, allerdings muss das nicht die Pfarre sein. Allerdings ist die Pfarre nach wie vor die beherrschende Form, wie Christen christliche Gemeinschaft erfahren und leben können.
Und nochmals im Blick auf die einleitenden negativen Beobachtungen, die sich vor allem auf die Rolle des Pfarrers bezogen. Manchmal wäre „Christ sein – ohne Pfarrer!“ fast einfacher und sinnvoller zu leben als mit schlechten Pfarrern.
f.d.I.: Pfr. Johannes Leuthner, Herwig Zwiener
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