Gruppe 5.5 Die Fülle der Aufgaben
Moderation: Bernhard Linse
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1. Diözesanversammlung – Gesprächsgruppen Fr. 23.10.2009

Themenbereich 5.: „Lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium entspricht“
5.5.: „Die Fülle der Aufgaben“

      Fehlende Zeit, Pendler
In der Gesprächsgruppe waren sehr viele TeilnehmerInnen aus dem Nordvikariat vertreten. Gerade dort pendeln vor allem junge Menschen – teils täglich, teils wochenweise. Für die Pfarrarbeit bleibt oft sehr wenig Zeit. Außer-dem bestehen innerhalb der Gemeinde auch Bindungen an andere Vereine.
Wohnort und Arbeitsort bilden zwei verschiedene Welten. Das Problem nimmt eher zu als ab.

      Pfarrerzentriertheit
In den Statements und der Diskussion stand immer wieder „der Pfarrer“ im Mittelpunkt.
Im Pfarrverband mit 5 Pfarren kommt Eifersucht um den Pfarrer auf („jetzt war er 3 Wochen nicht bei uns“). Je aktiver Gemeindemitglieder sind, desto eher akzeptieren sie die Situation. Die Eifersucht ist am ausgeprägtesten bei den einfachen Gottesdienstbesuchern – dies gilt noch verstärkt bei mitbetreuten Pfarren.
Die Zentriertheit zeigt sich auch darin, dass ein „Dankeschön“ nichts gilt, wenn es nicht vom Pfarrer kommt.
Pfarrer werden immer älter und ziehen sich aus dem Pfarrleben zurück. Trotzdem stehen sie im Mittelpunkt und nur ihr Wort gilt. Die Abhängigkeit der Pfarre vom Pfarrer (von seinen Vorstellungen und Launen) ist sehr groß. Wenn er etwas verhindern will, dann passiert es auch nicht. Von der Gemeinde wird es (oft zähneknirschend) akzeptiert, denn es ist ja „der Pfarrer“. Oftmals werden dadurch gewachsene bewährte Strukturen zerstört.
Die Pfarrerzentriertheit ist auch von außen zu erleben. Ansprechpartner für außenstehende Personen oder Institutionen ist der Pfarrer. Der/die stellv. Vorsitzende des Pfarrgemeinderats wird kaum wahrgenommen und nicht als Vertreter/in der Pfarre akzeptiert.
Bei Konflikten und Auseinandersetzungen (sowohl nach innen als auch nach außen) wird der Ruf laut: „Herr Pfarrer sagen Sie etwas!“
Gleichzeitig wurde in die Diskussion eingebracht, dass wir alle ein priesterliches Gottesvolk sind. Dies ist aber noch nicht in das Bewusstsein der Gläubigen gelangt. Nicht der Pfarrer steht für die Kirche, sondern auch die Laien repräsentieren die Pfarre und die Kirche. Letztlich bekommen sie den Hauptteil des Unmuts der Leute über die Kirche zu spürten, denn dem Pfarrer sagt man so etwas nicht. Es muss bewusster werden: Pfarre ist nicht dort, wo ein Pfarrer ist, sondern Pfarre sind wir!
Um auf Dauer bestehen zu können, muss das Reservoir der Priester ohne Amt geprüft und wieder aktiviert wer-den. Geweihten wird nach Änderung ihrer Lebenssituation die Autorität entzogen, obwohl sie diese in der Gemeinde und von vielen in der Kirche haben. Nach einer gewissen Auszeit und Festigung ihrer Lebenssituation könnte man sie wieder in den Dienst nehmen.

      Gemeinde
Wir leben in einer soziologischen Umbruchsituation auf die wir nicht nur reagieren sondern in der wir agieren müssen.
Die Kirchen sind oft viel zu groß für den zurückgehenden Gottesdienstbesuch. Die Gläubigen drängeln sich in den hinteren Reihen und es kommt keine gottesdienstliche Feierstimmung auf.
Besonders in der Stadt gibt es immer mehr Gottesdienstbesucher mit Migrationshintergrund, die nicht den Gottesdienst ihrer anderssprachigen Gemeinde besuchen. Es ist aber sehr schwer, mit ihnen in Kontakt zu treten.
Es gibt einerseits aktive Gruppen und die Gottesdienstgemeinde, andererseits z.B. Erstkommunionkinder, Firmlinge und deren Eltern. Es ist schwierig zwischen beiden Gruppe Brücken zu bauen und oft wirkt die zweite Gruppe wie ein Fremdkörper, da absehbar ist, dass sie nach einem Jahr wieder weg ist. Es gibt die Möglichkeit des Perspektivenwechsels: freuen wir uns über ihren Besuch, den wir sonst nicht hätten.
Dort, wo Wort-Gottes-Feiern gut angenommen wurden, wurden sie verboten, weil es der neue Pfarrer so wollte und sie auch von der Diözesanleitung nicht als die „Erfüllung der Sonntagspflicht“ gesehen werden – Pfarrer-
wechsel werden zunehmend zu einer schweren Belastung für die Gemeinde, da plötzlich alles ganz anders sein kann.
Wort-Gottes-Feiern sollten sich – auch wenn ein Pfarrer vor Ort ist – im Gemeindeleben etablieren und integriert werden – es muss nicht immer eine Messe sein. Auf diese Weise könnte auch die Jugend stärker in die Gestaltung eingebunden werden.
Sehr viel Energie kostet es, Leute zu motivieren und zum Kommen zu bewegen. Gerade der Kreis der 18-40jährigen ist kaum bereit, sich zu engagieren. Der aktive Kreis wird immer kleiner und älter. Sie erleben sich zunehmend aus überbelastet und zum Teil ausgenutzt. Es fehlt an einer Kultur der Anerkennung und der Übertragung von Verantwortung.
Die Pfarre lebt vom PGR und nicht vom Pfarrer. Je selbständiger und autorisierter er arbeitet, desto besser geht es in der Gemeinde.

      Der Wahn des 100%igem
Sind wir nur gut, wenn alle und alles 100% erreicht haben?
Zwei Aspekte:

a) Nur wer „kirchenrechtlich sauber“ ist, darf eine Funktion in der Pfarre übernehmen. Alle anderen sind ausgeschlossen oder werden hinausgedrängt bzw. kommen von sich aus nicht mehr (z.B. wiederverheiratet Geschiedene).
b) Jede Gemeinde versucht die gesamte Bandbreite kirchlichen Lebens abzudecken, auch wenn das nicht mehr leistbar ist – meistens auch in Konkurrenz zur Nachbarpfarre.

      Fehlende Strahlkraft
Von unseren Pfarren geht wenig an Strahlkraft aus, so dass sich Leute angezogen fühlen. Nur wenn Gemeinden den Weg des Beispiels und Vorbilds gehen, kann die Gemeinde nach außen wirken.
Der persönliche Glaube wird nicht nach außen getragen sondern teilweise versteckt.
Persönliche Gespräche und Kontakte sind notwendig, um andere Menschen begeistern zu können. Ebenso muss der PGR einheitlich und Einklang arbeiten, damit er nach außen wirken kann.

      Glaube der aktiven Gemeindemitglieder
Der religiöse Austausch unter den aktiven Pfarrmitgliedern ist notwendig, damit man auch erfährt, wer glaubt was und mit welchem Hintergrund?
Die persönlichen Glaubenserfahrungen müssen zur Sprache gebracht werden; nur so können wir einander im Glauben stärken.
Auch Laien haben die Kompetenz, sich zu Glaubensfragen zu äußern.

      Jugend
Wer keine Jugend hat, hat keine Zukunft.
Der Messbesuch geht insgesamt zurück, besonders aber die Jugend ist kaum noch vorhanden. Das Ausbleiben der Firmlinge nach der Firmung wird als schmerzlich empfunden.
Jugendliche stellen sich kaum die Fragen nach dem Sinn des Lebens – ihre Lebenswelt ist eine andere, zu der die Kirche wenig bis keinen Zugang hat (z.B. Internet).
Der Entfremdungsprozess beginnt bereits in religiösen Familien. Kirche wird mit „du sollst“, „du musst“ und „du darfst nicht“ in Verbindung gebracht.
Darf Christsein auch Spaß machen?

      Leben im Alltag
Viele Menschen wollen in der Gemeinschaft nur Mit-Leben, Mit-Glauben und Mit-Feiern, sich aber nicht exponieren.
Oft hindern persönliche Schwächen und Ängste daran, sich öffentlich zum Glauben zu bekennen.
Es gibt eine zunehmende Zahl von Menschen, die über die Kirche schimpfen, sich aber trotzdem als gläubig betrachten. Wie gehen wir damit um.
Menschen leben einfach ihren Glauben im Alltag, ohne ihn an die große Glocke zu hängen.
Wenn sich jemand in seiner Umgebung (Arbeitsplatz, Wohnhausstiege, …) als gläubiger Christ outet, empfängt er oft schräge Blicke und Bemerkungen. Es eröffnen sich ihm aber neue Zugänge zu den Mitmenschen, denn wenn sie Frage aus dem religiösen Bereich haben, ist er ein gefragter Ansprechpartner.


f.d.I.: Bernhard Linse, Georg Stögerer


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